Malerin werden
Das Studium
Oft fragt man mich seit wann ich male und ich antworte „schon immer“. Bereits in der Grundschule fiel mein Farbensinn auf, und schon damals wollte ich Malerin werden. Jedoch schwankte ich in der Gymnasialzeit zwischen verschiedenen Optionen, denn Literatur und Naturwissenschaften interessierten mich auch. Dazu meinte mein Vater, dass Malerin ein zu vager Beruf sei. Ich solle erst studieren und könnte danach Malerin werden. Ich fand einen positiven Kompromiss und studierte Kunsterziehung.
Ich bin 1927 in Düsseldorf in Deutschland geboren und erlebte also die Nazizeit und den zweiten Weltkrieg. Moderne Kunst war verboten, und ich wusste nicht einmal, dass Picasso existiert! Als es mir 1948 gelang, dem Hunger und Elend in Deutschland zu entkommen und auf der Kunstakademie in Paris zu studieren, lehnte ich die mehr oder weniger abstrakte Kunst ab: „Warum sollte man die vollendet schöne Natur deformieren?“ Ich brauchte viele Jahre um endlich die Höhe meiner Zeit zu erreichen.
Im Grunde konnte ich schon in jungen Jahren zeichnen. 1944 zechnete ich mein Jungmädchenzimmer, das am Kriegsende 1945 verbrannte. Ich malte die Landschaften in unserer Umgebung. Ein kleines Ölbild zeigt Erinnerungen an den Krieg.
Installation in Ramatuelle
Während des Studiums glaubte ich, man müsse im photographischen Sinn „richtig“ zeicnen. Natürlich muss man beobachten und zeichnen lernen, denn ohne die dreidimensionale Wirklichkeit auf eine zweidimensionale Fläche übertragen zu können, wäre man beschränkt in seinen Ausdrucksmöglichkeiten. Aber selbst auf der Akademie habe ich nicht erfasst, dass ein Bild erst einmal eine organisierte Fläche ist und die Zeichnung eine mehr oder weniger persönliche Handschrift.
Nach meinem etwas chaotischen Studium verbrachte ich meine Referndarjahre in Düsseldorf und in Essen und entdeckte mein lebhaftes Interesse für den Kunstunterricht. Dennoch engagierte ich mich nicht als Lehrerin. Ich hatte nicht auf meinen Wunsch verzichtet Malerin zu werden. Ausserdem erwartete ich ein Baby und wollte nicht heiraten, was 1957 eine soziale Katastrophe war. Deshalb bin ich aus Deutschland verschwunden und habe mich in meinem liebsten Ferienort installiert, in Ramatuelle an der Côte d’Azur, wo 1957 mein Sohn geboren ist und wo ich immer noch lebe.
Mein Weg zu künstlerischer Freiheit war lang. Ich hatte wenig Selbstvertrauen. In Ramatuelle war ich ziemlich isoliert und schwankte einige Jahre zwischen Malerei und Bildhauerei. Meine Figuren von Kugelspielern, Tieren und Müttern mit Kindern sind mir gut gelungen.
An der internationalen Sommerakademie, Salzburg, ab 1962
Die Teilnahme an mehreren Kursen an der internationalen Sommerakademie in Salzburg hat mich schliesslich der Malerei den Vorzug geben lassen, obwohl ich im Kurs des italienischen Bildhauers Emilio Greco einen Preis bekommen hatte. In den Ateliers des expressionistischen Malers Oscar Kokoschka, des Gründers der Akademie, mussten alle Kursteilnehmer sehr farbige Aquarelle von den posierenden Akten malen, direkt mit dem Pinsel, ohne Vorzeichnung. Es war als ob der Meister lauter kleine Kokoschkas ausbilden wollte.
Ich habe mindestens acht Sommerferien in Salzburg verbracht und ausser mit Kokoschka mit dem venezianer Expressionisten Emilio Vedova, dem Maler der Kobragruppe Corneille und mit dem Östereicher Giselbert Hoke gearbeitet. Ausserdem habe ich lithographieren gelernt. Die Lithographie ist eine alte Drucktechnik, bei der man auf schwere Kalksteine zeichnet, die dann mit Säure behandelt werden. Später besass ich meine eigene Presse, die ich von einem alten Lithographen gekauft habe, der sich zur Ruhe setzte. Die komplizierte Technik hat jetzt keinen Sinn mehr, denn es gibt heute unvergleichlich praktischere Druckverfahren.